⭐ 3 von 5 Sternen
Es kommt nicht mehr oft vor, dass man ein volles Kino betritt. Doch das war es, was uns begrüßte, als wir den zweiten Saal der Nordisk Film Kinos in Aalborg betraten. Ein ganzer Saal voller junger Leute ab 12 Jahren.
Wir wollten den norwegischen Animationsfilm Spermageddon sehen, der mit einer Mischung aus Humor, Musik und einer überraschend absurden Prämisse versucht, Sexualerziehung und Unterhaltung zu verbinden. Spermageddon (2024), unter der Regie von Tommy Wirkola und Rasmus A. Sivertsen, ist ein ehrgeiziger Versuch, Sex und Verhütung zu enttabuisieren. Mit einem Erzählstil, der an eine Mischung aus Pixar und Animationsfilm für Erwachsene erinnert, nimmt uns der Film mit auf eine epische Reise aus der Perspektive des Spermas. Doch obwohl Spermageddon viele gute Absichten und starke Botschaften hat, tappt er auch in einige problematische Fallen.
Der Film zeigt verschiedene Arten der Empfängnisverhütung und ihre Auswirkungen. Die Hauptfigur Lisa benutzt ein Kondom, wenn sie mit Jens zusammen ist. Danach benutzt sie eine spermizide Creme und am nächsten Tag nimmt sie eine Abtreibungspille.
Eines der problematischsten Elemente des Films ist, dass Lisa trotz der Verwendung von drei verschiedenen Verhütungsmethoden - Kondom, Spermizid und die Pille danach - schwanger wird. Dies führt zu einer falschen Wahrnehmung der Wirksamkeit von Verhütungsmitteln und kann bei jungen Zuschauern zu unnötiger Besorgnis und Fehlinformationen beitragen.
Darüber hinaus gibt es ein absurdes Detail, in dem der Film zeigt, dass die Wirksamkeit der Pille danach aufgehoben wird, weil Lisa stürzt und einen Hügel hinunterrollt. Dies kann den falschen Eindruck erwecken, dass ein körperlicher Sturz die Wirkung der Pille danach aufheben kann, was natürlich irreführend ist. Die Pille wirkt auf den Hormonhaushalt und nicht durch eine physische Blockade des Eileiters.
Die Botschaft des Films zum Thema Abtreibung ist eines seiner stärksten Elemente. Er zeigt, wie Lisa vor einer schwierigen Entscheidung steht, und betont, dass eine Abtreibung keine einfache Lösung ist, sondern eine notwendige Entscheidung für diejenigen, die noch nicht bereit für eine Elternschaft sind. Der Film zeigt auch, wie Jens Lisa zum Arzt begleitet, um mit ihr über den Schwangerschaftsabbruch zu sprechen, und wie er sie "bis zum Ende" unterstützt. Gleichzeitig unterstreicht der Film das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, mit einer klaren Botschaft: Wenn du nicht bereit bist, bist du nicht bereit!
Auch der Befruchtungsprozess selbst wird in dem Film sehr anschaulich dargestellt. Der Zuschauer folgt dem Spermium Simen und seiner Freundin Cumilla auf einer actionreichen Reise zur Eizelle, die zeigt, wie unglaublich klein die Chance ist, dass eine einzelne Samenzelle ihr Ziel erreicht. Auf ihrem Weg müssen sie gegen den Bösewicht Jizzmo kämpfen, der versucht, die Reise der anderen Spermien zu vereiteln. Die Geschichte hält die Balance zwischen einer abenteuerlichen Handlung und humorvollen Nebengeschichten - einschließlich einer skurrilen Anspielung auf die Olsenbande, in der die Spermien ihren "Coup" planen, um die Eihülle zu durchdringen.
Trotz einiger unglücklicher Blickwinkel gelingt es dem Film, einen umfassenden Einblick in die Verhütung zu geben und die Bedeutung von Safer Sex auf zugängliche und unterhaltsame Weise zu betonen.
Positiv zu vermerken ist, dass sich der Film bewusst darum bemüht, integrativ zu sein. In der Hauptrolle ist ein schwarzes Mädchen zu sehen und es werden verschiedene Körpertypen gezeigt, was erfrischend ist.
Darüber hinaus gelingt es dem Film gut, auf den Umgang junger Menschen mit Pornos und ihr Experimentieren mit Dirty Talk hinzuweisen. Der Einfluss von Pornos wird im Film karikiert, z. B. durch die Versuche von Dirty Talk, und zeigt, dass die Realität nicht immer dem entspricht, was in der Welt der Pornos passiert. Der Film schildert auf wunderbare Weise den negativen Einfluss von Pornos und vermittelt gleichzeitig Hoffnung und Zuversicht, dass junge Menschen tatsächlich damit umgehen und den Unterschied erkennen können.
Ein weiteres Beispiel für den Einfluss von Pornos im Film ist, als Lisa die Hündchenstellung einführt und erwähnt, dass sie sie in einem Pornofilm gesehen hat. Das ist eine schöne Nuance, die zeigt, dass Pornos auch als Inspirationsquelle dienen können, um zu experimentieren und neue Dinge zu entdecken. Der Film balanciert diese Dualität gut aus, indem er einerseits die Rolle des Pornos bei der Prägung des Sexualverständnisses junger Menschen kritisiert, andererseits aber auch zeigt, wie er zur Erweiterung des sexuellen Horizonts genutzt werden kann.
Aber wenn es um die Sexualität geht, enttäuscht Spermageddon. Sie gibt ihm einen Blowjob, aber er erwidert ihn nicht mit Oralsex. Der Geschlechtsverkehr ist einseitig und spiegelt leider die pornografischen Vorstellungen von Sex wider, bei denen das männliche Vergnügen im Vordergrund steht.
Aus weiblicher Sicht ist es bedauerlich zu sehen, dass der Film wieder einmal das Klischee reproduziert, dass der Orgasmus einer Frau durch Penetration entsteht, solange der Mann dafür arbeitet.
Studien zeigen, dass nur 25 % der Frauen auf diese Weise zum Orgasmus kommen können, während die überwiegende Mehrheit die Stimulation der Klitoris benötigt, worauf der Film überhaupt nicht eingeht. Dies ist eine verpasste Gelegenheit, die weibliche Sexualität nuancierter und realistischer darzustellen, und trägt dazu bei, dass Männer unter Leistungsdruck stehen und Frauen sich schämen und als falsch empfinden, wenn sie bei der Penetration keinen Orgasmus bekommen und ihn oft vortäuschen, um die "gute Stimmung" in der Beziehung zu erhalten.
Ein weiterer Fehltritt ist die falsche Darstellung von Analsex. In einer Szene haben die Protagonisten Analsex, aber ohne jegliche Gewöhnung oder Anzeichen von Unbehagen. Sie reagiert nicht im Geringsten, als er versehentlich in das falsche Loch eindringt. Er merkt es nicht und sie nimmt es ohne zu zögern hin. Es ist positiv, dass der Film mit Analsex ein weiteres Tabu bricht, aber schade, dass er nicht realistischer dargestellt wird. Optimal wäre es auch gewesen, wenn klar gewesen wäre, dass man durch Analsex nicht schwanger werden kann.
Der Film zeigt, wie wichtig es ist, sich der menschlichen Anatomie bewusst zu sein, aber auf Kosten einer offensichtlichen Fehlinformation, bei der Lisa durch die Ejakulation von Jens beim Analsex schwanger wird. Das ist nicht nur sachlich falsch, sondern kann auch bei jungen Zuschauern unnötige Ängste auslösen.
Der Film schildert einen absurden biologischen Weg, bei dem die Spermien angeblich durch den Darm nach oben wandern, den Magen durchqueren, weiter in die Blase und dann durch die Harnröhre nach draußen gelangen, bevor sie in die Vagina kriechen und die Eizelle befruchten. Dies ist nicht nur wissenschaftlich unmöglich, sondern vermittelt auch ein höchst irreführendes Bild davon, wie eine Schwangerschaft entsteht. Es ist eine Sache, Humor und Übertreibung zu verwenden, aber wenn der Film auch aufklären will, ist es problematisch, Mythen statt Fakten zu verbreiten.
Trotz seiner Schwächen ist Spermageddon unterhaltsam und voller witziger Momente, die als Eisbrecher für junge Menschen dienen können, um über Sex, Verhütung und Erwartungen an die Sexualität zu sprechen. Er räumt mit Tabus auf und schafft einen Rahmen für wichtige Gespräche.
Da es sich um ein Tabuthema handelt, ist es eine Gratwanderung, ob junge Leute ihre Eltern mitbringen sollten, um den Film zu sehen. Es ist ein Film, der sich ideal für Gespräche unter Freunden eignet, wo sie frei über die Botschaften und Missverständnisse diskutieren können, die er aufwirft - kein Film, über den man unbedingt ein unangenehmes Gespräch im Auto auf dem Heimweg mit Mama und Papa führen möchte. Als Eltern können Sie sich dafür entscheiden, die Fehlinformationen, die wir in dieser Rezension erwähnt haben, einfach anzusprechen, wenn sie nach Hause kommen, oder wenn Sie den Film mit Ihrem Teenager sehen wollen, lassen Sie ihn ein paar Freunde mitbringen, damit sie sich gegenseitig über die Dinge unterhalten können, die dem Blick von Mama und Papa nicht standhalten.
Spermageddon ist ein Film mit einer starken Absicht und einer lustigen Prämisse. Er vermittelt wichtige Themen über Empfängnisverhütung, Befruchtung und Sex auf verständliche Weise, tappt aber in mehrere Fallen, die seinen pädagogischen Wert schwächen. Er steht sich selbst im Weg, indem er stereotype Sexszenen reproduziert und Mythen aufrechterhält, die mit einem aktuelleren und nuancierteren Ansatz zur Sexualerziehung hätten vermieden werden können.
3 von 5 Sternen - ein Film mit Potenzial, aber auch Raum für Verbesserungen.